Eva

Im Schlangenreif
nichts gehört
mit beweglichen Lippen
den Kreis
gerade gezogen
die Rache
nicht gestillt
vom Schweigen
entbunden
zur Sprache gebracht
Ahnung von Freiheit

Das Gedicht ist aus: Schmid, W., Sonnenfinten, eFeF-Verlag, Bern 2003



FEUERSCHUTZ

Deine Angst wird
mich anspringen
die Lampe
umstossen

dein Mund
hat mein Wort
zerschnitten

seit Tagen
spiel im mit dem Feuer
und brenne nicht

im Dunkeln
hör ich den Lockvogel
Türen schlagen

Das Gedicht ist aus: Schmid, W., Sonnenfinten, eFeF-Verlag, Bern 2003



Die Stille
zwischen uns
ist nackt

wir
an die Nacht gelehnt
wir
sind nicht satt


Das Gedicht ist aus: Schmid, W., Sonnenfinten, eFeF-Verlag, Bern 2003



Worte
überqueren den Schreibtisch
und Schatten
und Irrtum
und harte Anschläge

wie
die Welt begreifen

nachts
will ich vordringen
zu mir

Das Gedicht ist aus: Schmid, W., Sonnenfinten, eFeF-Verlag, Bern 2003


Sie hat den Adamsapfel in die Schleuder gelegt.
Weggeschleudert. Freigeschleudert.
Die Baumkrone weggeschlagen.
Die eigene Gestalt angenommen.
Den Mund geöffnet und gerufen.
Gerufen und verlangt.

Der Säufer lehnt am Stamm.
Seine Nägel sind schwarz.
Seine Zähne sind faul - Ekel erregend.
Flüche fahren aus ihm.
Seine Manteltaschen sind voll davon.
Die Strasse schwankt.

Keine Schulter frei.


Das Textfragment ist aus: Schmid, W., Paare und ander Einsame, Prosastücke, Textfragmente,
ZIP-Verlag Zürich 2000)


Gras

Gras grün
Erdhaare kämmen
mit rostigen Zincken

zwei Nächte
sehr dunkel
genügen dem Tastsinn

Honiggras
Margeriten
und Sauerampfer
der Sommer
wird nicht bleiben
können

Schnitt

Möven erklären
den Winter
das Gras liegt
ungekämmt
unter Schnee

(Das Gedicht ist aus Poesie Agenda 2002, hg. W. Bucher & J. Stelling, orte-Verlag,
Zelg-Wolfhalden 2001)


.... und schlug ihn mit Wasser und half ihm aus den Schuhen.
Barfuss legte ich ihn in die Fremde. Dort träumt er sich zurück.
Was aber die Schuhe betrifft - Sie stehen noch da.
Du kannst sie tragen, wenn du sie nicht willst.

(Das Textfragment ist aus: Schmid, W., Paare und ander Einsame, Prosastücke, Textfragmente,
ZIP-Verlag Zürich 2000)


Früher am Fliessband gestanden. Lärm und Gestank. Umfallen. Jetzt sitzen sie immerhin. Sie sitzen vor den kleinen weissen Kästen, die drauflosflimmern. Absturzgefahr jederzeit. Erhöhte Wachsamkeit. Wer das Speichern vergisst, ist selbst schuld. Von der Decke rieselt Musik. Gleich bleibende Temperatur. 19 Grad, das hält frisch. Frisch sein ist alles. Hellwach. Schon wieder die Drei mit der Acht verwechselt. Die ganze Statistik durcheinander. Designstühle fördern die Verstopfung. Jeder in seiner Wabe, jeder ein kleiner Pilot. Geschmeidige Finger, geschmeidige Seelen. Tastentänze. Flink. Da steht ja noch ein altes Holzpult, weg damit auf den Müll. Da die Waage mit den Gewichten, weg damit auf den Müll. Da Frau Müller mit der alten Strickjacke und den Birkenstocksandaien, weg damit auf... Pardon. Wo haben wir denn das passende Wort. Die dunkel gekleideten Herren und eine Dame - rot kostümiert. So eine kleine farbige Note. Ein Hauch Erotik. Treibt die Herren zu Höchstleistungen.

Platzhirschgerangel. Einer redet, einer macht Notizen, die andern folgen. Mir nach, meine Herren. Kein Wildwuchs in den Büros. Notieren Sie! Keine Strickjacken, keine Gesundheitssandalen. Zerstört das einheitliche Design. Gewisse Anforderungen an das Outfit können wir ja wohl stellen. Schlank und wendig. Geschmackvolle Kleidung. Keine Übergewichtigen einstellen. Was die an Flüssigkeit abdampfen. Die Lüftung könnte Schaden nehmen. Fettsüchtige schnaufen hörbar und sind häufig krank. Risikoverminderung. Ästhetik. Da stellen wir die Stempeluhr auf. Eine Fingerprintstempeluhr wohlverstanden. Damit es keine Schummeleien gibt. Aufschreiben! Frau Müller in die Putzequipe einteilen. Frühschicht. Verstockte werden versetzt. zurückgestuft. Niemand wird geschont. Wir schonen uns auch nicht.

(Die Kurzprosa ist aus: Schmid, W.,Paare und ander Einsame, Prosastücke, Textfragmente,
ZIP-Verlag Zürich 2000)


Zweimal schon stand er im Sumpf und ahmte die Frösche nach.

Jetzt ist er stumm. Seine Haut glänzt und lockt Mücken. Sie zögert, das
kann sie. Sie dreht an der Uhr und verliert die Krone. Der Boden ist trocken.
Es riecht nach Gras. Sie sömmern.
Jetzt verlassen sie das Gelände. Es ist heiss. Der Sommer grölt. Sie schreiten,
sie schweigen gut. Sie schwitzen. Sie treten ein. Das Haus ist kühl.
Sie wirft das Haar zurück und hat ein Geheimnis. Es lagert um ihren Mund.
Es verschwindet nicht. Es breitet sich aus. Es ist da. Es leuchtet in ihren Augen.
Er hat es nicht kommen sehen.
Jetzt ist es da.
Jetzt werden die Jalousien geschlossen. Er betrachtet die Wände und zählt.
Sie kämmt sich das Haar. Er klopft auf den Tisch. Sie wissen, die Zeit vergeht.
Jetzt sitzt er. Sie steht im schwarzen Kleid da und bringt nichts zurück - nicht
eine Sekunde. Er ist da. Er hämmert seine Ahnung quer durch den Raum. Der
wolkenlose Himmel ist seine Erfindung. Was vor seiner Zeit war, weiss er nicht.
Es wird eine Zeit ohne ihn geben, das ist gewiss. Sie steht da mit verdunkeltern
Körper und neugierigen Füssen. Auf ihrer Wange ein Anstrich von Luft.
Ein gestreifter Schatten drängt auf ihren Arm.
Jetzt schliesst sie sich.

Jetzt schlägt er sie.

(Die Kurzprosa ist aus: Schmid, W.,Paare und ander Einsame, Prosastücke, Textfragmente,
ZIP-Verlag Zürich 2000)


Im Intercity.

Er hat sich zu ihr durchgenät, durchgeschnorrt. Balzgebaren. Sie hat ihn kommen
sehen. Sie hat sich schlafend gestellt. Die sanfte Abwehr. Er plumst neben ihr ins
Polster. Er ist im Militär Oberst und laute klare Direktiven gewohnt. Winke durch die
Blume zerfleddern. Ihre Augenbrauen sind wütend hochgefahren.

"Erlauben Sie , dass ich lese."

Er erlaubt nicht.
Regen peitscht ans Zugsfenster. Ein willkommener Gesprächsstoff. Im Intercity
gefangen. Er öffnet die Schnallen seines Metallkoffers. Wichtige Papiere, er fährt
an eine Sitzung. Er ist der Pfeiler, die Säule seiner Firma. Ohne ihn läuft alles ziemlich
schief. Sie geht zur Toilette und dann in den Speisewagen. Sie will erst kurz vor B.
wieder ihren Sitzplatz einnehmen.

Der Schwenkarm des Baggers hat den Wagen seitlich aufgeschlitzt wie eine Sardinen-
büchse. Er hält ein Papier in den Händen und wird am Kopf getroffen, ist sofort tot. Mit
ihm sterben noch drei Passagiere. Es gibt Verletzte.

Sie ist rechtzeitig geflüchtet. Sie verdankt ihm ihr Leben.

(Die Kurzprosa ist aus: Schmid, W.,Paare und ander Einsame, Prosastücke, Textfragmente,
ZIP-Verlag Zürich 2000)

Wir aber haben es gewusst.
Der Gartenzaun hat Lücken.
Äpfel rollen hinaus.
Die ungehorsame Sorte.
Ob sie zu den Fischen wollen?
Das lassen wir nicht zu.
Das vertreibt die letzten Gäste.
Äpfel sind Äpfel.
Fische sind Fische.
Das gehört auf die Tagesordnung.
Ein für alle Mal.

(Die Kurzprosa ist aus:
Entwürfe für Literatur, Nr. 17 (März 1999), Zürich 1999)




Einige "links" aus der Schweizer Literaturszene